Leben in einem Denkmal.
Ein starkes Anwachsen der Einwohnerzahlen verursachte in den großen Städten gegen Ende des 19. Jahrhunderts unerträgliche Wohnverhältnisse. Auch in München offenbarte die große Wohnungserhebung von 1904 bis 1907 ein für heute unvorstellbares Wohnungselend. Besonders hart traf es alleinstehende Männer und Frauen aus den unteren Schichten, die sich nicht einmal ein Zimmer als Untermieter, sondern nur ein Bett als Schlafplatz leisten konnten.
Alarmiert von dieser Not wurde 1913 die Idee zur Gründung eines Vereins umgesetzt, der es sich zur Aufgabe machte, in München Wohnheime für Alleinstehende zu errichten und diese auch weiterhin zu unterhalten. Zu den zahlreichen Gründern dieses Vereins gehören bekannte Persönlichkeiten wie die späteren Vorsitzenden des Vereins, Hans Graf zu Toerring-Jettenbach und Dr. Paul Busching.
Eine großzügige Schenkung des Freiherrn Theodor von Cramer-Klett ermöglichte den Erwerb eines Grundstücks am heutigen Standort an der Bergmannstraße. Das Bauprojekt war bereits in seiner Anfangsphase, als der Ausbruch des 1. Weltkriegs alle weiteren Tätigkeiten des Vereins beendete.
Ab 1921 konnte sich der Aufsichtsrat mit der Weiterführung des Projekts befassen und nicht zuletzt auch mit Hilfe eines Darlehens der Stadt München endlich den Bau des Ledigenheims für Männer realisieren. Die Bauleitung übernahm nun Prof. Theodor Fischer, der für das Haus ein neues und äußerst modernes Konzept entwickelte. Theodor Fischer orientierte sich bei seinen Planungen an sozialen Belangen und den Erfordernissen an gesundes und kostengünstiges Wohnen. Die Bewohner des Ledigenheims mit ihren Bedürfnissen stehen dabei im Mittelpunkt. Das 1927 fertiggestellte Haus vermittelt seinen Bewohnern deshalb ein Gefühl der Geborgenheit in den „eigenen vier Wänden“, bietet jedoch auch in großzügigen und hellen Aufenthaltsräumen die Möglichkeit der Kommunikation mit Anderen.
Soziales Engagement ist auch heute noch ein Anliegen des Verein Ledigenheim. Der Verein finanziert sich durch die Mieteinnahmen der Zimmer sowie Einnahmen aus der gewerblichen Vermietung der Flächen im Sockel des Gebäude. In besonderen Fällen ist er aber auf Zuschüsse der Landeshauptstadt München angewiesen, um dieses einzigartige Wohnkonzept mit seinen günstigen Mieten zu erhalten.
Der Architekt Theodor Fischer
Theodor Fischer (1862–1938) gehört zu den bedeutendsten deutschen Architekten. Er entwarf über 100 Gebäude und prägte mit der Erarbeitung des Staffelbauplans ab 1893 die städtebauliche Entwicklung und die Gestalt weiterer Bereiche der Stadt München grundlegend.
Heimat im Ledigenheim.
Form und Anlage des Ledigenheims sind geprägt von der inneren Organisation. Mit den vorhandenen Mitteln sollten möglichst viele Zimmer und beste sanitäre Verhältnisse für die Bewohner geschaffen werden. Fast alle Zimmer weisen nach Osten oder Westen, auch die Flure und Vorräume erhalten Tageslicht. Räume im Erdgeschoß wie Eingangshalle und Aufenthaltsraum werden über großzügige Oberlichter mit Tageslicht erhellt. Bei einer optimalen Ausnutzung der Baukörper zeigt der Bau eine klare Struktur, Raumführung und Belichtung.
Für die Innenausstattung entwarf Theodor Fischer eigene Möbel, so erhielten die damals 417 Zimmer der Bewohner jeweils ein Bett und einen Tisch mit Stuhl. In den Zwischenwänden der
ca. 6,8 bzw. 8,2 qm großen Zimmer waren ein Schrank eingebaut sowie ein Waschbecken mit fließendem Wasser – für damalige Wohnungen in München keineswegs selbstverständlich.
Der streng proportionierte und aus einfachen kubischen Formen zusammengesetzte Baukörper wirkte zunächst fremd in der Umgebung und löste auch Kritik aus. Fischer verwies auf das „münchnerische“ Material der hartgebrannten Backsteine in der Tradition altbayerischer Ziegelbauten und forderte Mut zu modernen Bauformen. Heute gilt der Bau als eines der wenigen Beispiele des Neuen Bauens der 1920er- Jahre in München.